Samstag, 23. September 2017

Bistum Trier / Freisen : Das Bistum hat erneut versagt - ein Kommentar





Die kirchenrechtliche Voruntersuchung in der "causa Freisen" ist abgeschlossen.

Der Verdacht des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen hat sich erhärtet. - In mehreren Fällen.

Das Bistum empfiehlt dem Vatikan, ein kirchenrechtliches Strafverfahren gegen den Pfarrer einzuleiten.


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Unglaublich schwere  Jahre liegen hinter den Betroffenen. 

Und ein unglaublich schweres Jahr hinter denjenigen, die den Betroffenen glaubten - und an sie glaubten.

Ein schweres Jahr liegt hinter uns, die wir für eine ernsthafte Aufklärung sexuellen Missbrauchs durch Angehörige der katholischen Kirche kämpfen. Ein schweres Jahr für alle, die gegen das System der Vertuschung kämpfen. - 

Selten war ein Fall so anspruchsvoll, waren die Zusammenhänge so ausufernd, waren so viele Personen bis in die höchste deutsche Kirchenhierarchie involviert. Selten wurden so viele Fragen aufgeworfen.

Diejenigen, die den Betroffenen glaubten, litten mit ihnen. - Tag für Tag.  Manche von ihnen aus eigener Erfahrung heraus. Aber nicht nur sie litten.  -  Es litten auch diejenigen, die sich hilfesuchend an ihren Bischof und Vorgesetzten wandten -  und bittere Erfahrungen machen mussten.

Die Emotionen, die während dieser Monate durchlebt wurden, werden erneut Narben hinterlassen.

Besonders die Emotionen, die durch die Worte der Verantwortlichen ausgelöst wurden.  Die Verantwortlichen, die uns keinen Glauben schenkten, die sich herausredeten, die sich nicht mehr erinnern wollten , die abstritten. Die Verantwortlichen und Beteiligten, die schlicht und einfach logen - ebenso wie die Verantwortlichen und Beteiligten, die wegsahen und schwiegen.   Diejenigen, die die Wahrheit sich selbst gegenüber,  vor ihrem Gott und  den Betroffenen gegenüber leugneten.

Darunter haben wir besonders gelitten. 

Wir standen  aber auch einer Institution gegenüber,  die bei uns Betroffenen dieselbe Ohnmacht hervorrief, die wir damals empfanden. Die Unfähigkeit, sich wehren zu können. - Ausgeliefert zu sein. Dieses Gefühl wurde uns immer und immer wieder - und mehr als deutlich - sowohl in Gesprächen als auch in Korrespondenzen mit dem Bistum Trier vermittelt. Besonders jedoch schmerzte das Verhalten des Bistums denjenigen gegenüber, die sich wiederholt in schriftlicher oder mündlicher Form vertrauensvoll an das Bistum wandten -  und offensichtlich nicht ernst genommen wurden.  

Dennoch wagten die, die noch Kraft besaßen, diesen schweren Weg zu gehen.  Die lähmende Ohnmacht zu überwinden. Den Kampf aufzunehmen. Nicht aufzugeben.  Und die Hoffnung nicht zu verlieren. - Selten erfuhr ich über einen so langen Zeitraum eine so gute, vertrauensvolle, und Mut machende Zusammenarbeit unter denjenigen, die sich entschlossen haben, diesen beschwerlichen und strapaziösen Weg auf sich zu nehmen. 

Es gilt an dieser Stelle denjenigen zu danken, die uns während dieser Zeit begleitet haben:

In erster Linie den Betroffenen, die ihr Schweigen brachen.

Weiterer besonderer Dank gilt den Priestern,  aber auch Geistlichen aus dem Generalvikariat,  die uns Hinweise gaben, bei der Aufklärung halfen, die ihr Schweigen brachen - uns Mut zusprachen und dabei selbst große Risiken eingingen.

Ein großer Dank an diejenigen, die sich in dieser Causa schriftlich  an Rom wandten. - Und an diejenigen, die sich vor Ort begaben.

Ich danke jedem Einzelnen, der uns half,  die „Causa Freisen“ nicht aufzugeben. 

Ebenso danke ich den Journalisten, die uns vertrauensvoll begleiteten  und von denen ich weiß, dass sie die "Causa Freisen" weiterverfolgen werden.   - Es werden noch etliche Fragen von den Verantwortlichen zu beantworten sein. Nach all dem Versagen der letzten Jahre in diesem Fall sind die Verantwortlichen  es den Betroffenen schuldig.

- Die zu Beginn des Missbrauchsskandals versprochene Transparenz, der "echte" Aufklärungswille, den Bischof Ackermann im Jahr 2010 versprach, lässt inzwischen -  sieben Jahre nach diesen Versprechen - auch den letzten Funken Hoffnung im Keim ersticken.  Bischof Ackermann zog und zieht bis heute ausschließlich dann Konsequenzen, nachdem die Medien veröffentlichen.   Auch über die Geschehnisse in der  "causa Freisen" war das Bistum seit Jahren informiert - und reagierte erst, als der Fall öffentlich wurde. 

Desgleichen wirft die "Causa Freisen" auch die Frage auf, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass ausgerechnet der Missbrauchsbeauftragte selbst einen Priester  aus seinem eigenen Bistum über Jahre hinweg schützt und verteidigt, der in den vergangenen Jahren acht (!) Mal bei der Staatsanwaltschaft angezeigt wurde. (Die Vorwürfe reichen von illegalem Waffenbesitz bis hin zum schweren sexuellen Missbrauch einer Grundschülerin. )

Die Vorgehensweise von Bischof Ackermann verdeutlicht in diesem langwierigen Fall aber auch erneut,  dass der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz noch nicht einmal in der Lage ist, die Fälle in seinem eigenen Bistum "aufzuklären". Dort, wo Vertrauen zu Bischof Ackermann als Vorgesetzten bestehen sollte. Allein schon seiner Biografie her wegen.  Doch dieses Vertrauen in den Vorgesetzten Bischof Ackermann scheint weiter zu bröckeln. - Auch im Generalvikariat selbst.

"Aufklärungswille zeigen"  hätte für Bischof Ackermann bedeutet:  Hinsehen und nicht wegsehen. Den Betroffenen Glauben schenken und sie nicht übergehen.  Hinweise ernst nehmen und nicht ignorieren. Dies hätte für Bischof Ackermann auch bedeutet, die Wahrheit nicht zu leugnen und sich selbst einzugestehen, dass das, was uns widerfuhr, keine Einzelfälle sind.  Es ist offensichtlich, dass von Seiten des Bischofs bis heute versucht wird, Aufklärung  um jeden Preis zu verhindern. Und das System fortzuführen, das über Jahrzehnte galt: Vertuschung.  

Die Frage, ob  überhaupt ein Wille erkenntlich ist, der eine ehrliche Aufklärung verspricht, mag jeder für sich selbst beantworten. - Schließlich hat zu dem Erkenntnisgewinn dieses Abschlussberichtes wohl jeder, dem Aufklärung am Herzen liegt, seinen Teil dazu beigetragen. - Aber gewiss nicht die Verantwortlichen im Bistum Trier. 

Das Mindeste und das, was jetzt unmittelbar erfolgen muss, ist eine Entschuldigung seitens des Bischofs. Und zwar all denjenigen gegenüber, denen der Bischof keinen Glauben schenkte. Denjenigen gegenüber, die direkt und indirekt unter der Vorgehensweise Ackermanns litten.  - Und das sind viele. - Angefangen bei den Betroffenen.


Claudia Adams