Dienstag, 22. Januar 2013

Kriminologe Pfeiffer über Missbrauchsstudie: "Ich habe den Kooperationspartner Kirche unterschätzt"

Die Missbrauchsstudie der katholischen Kirche mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen ist gescheitert - aber wer trägt die Schuld? KFN-Chef Pfeiffer wehrt sich im Interview gegen Kritik an seinem Vorgehen und sagt: "Es ist der größte Frust meines gesamten Wissenschaftlerlebens."


SPIEGEL ONLINE: Inzwischen geht es vor allem um die Deutungshoheit über den Konflikt. Die Kirche geht gerichtlich gegen Sie vor.

Pfeiffer: Die Kirche hat in der Tat am 13. Januar beim Landgericht Hamburg den Erlass einer Einstweiligen Verfügung gegen mich beantragt. Ich sollte nicht mehr behaupten dürfen, dass die Kirche gegenüber dem KFN als Vorbedingung für das weitere Forschen Zensurwünsche geltend gemacht hat. Am 16. Januar ist dann bei den Gerichten unsere Schutzschrift eingegangen. Daraufhin hat die Kirche ihren Antrag auf Erlass der Einstweiligen Verfügung zurückgezogen. Sie wird nun die Kosten einschließlich unserer Anwaltsgebühren zu tragen haben. Und ich kann weiterhin ohne Maulkorb das verkünden, was ich von Beginn an als Grund des Scheiterns benannt hatte. Die Unterlassungsandrohung war reine Show.


SPIEGEL ONLINE: Ab welchem Punkt war für Sie klar, dass das Projekt nicht mehr zu retten ist?

Pfeiffer: Der Bruch kam, nachdem ich Ende Oktober mit zwei Briefen an die Bischöfe klären wollte, ob sie noch hinter dem Projekt und unserem Vertrag stehen. Die Kirche hat das als Vertrauensbruch bewertet. Ich sah keinen anderen Weg, weil ich die Bischöfe auch fragen musste, in welchem Ausmaß es bei ihnen zu Aktenvernichtungen gekommen ist. Das konnten nur sie beantworten und nicht der Verband der Diözesen Deutschlands.


SPIEGEL ONLINE: Bischof Ackermann sagt, "die Kündigung des Vertrags hat wirklich viel mit der Person Pfeiffer zu tun".

Pfeiffer: Das sind alles Ablenkungsmanöver. Für mich ist das schlechter Stil. Die Kirche diffamiert mich, weil ihr Sachargumente fehlen.


SPIEGEL ONLINE: Die Kirche spricht von einem Vertrauensbruch. Wie ist ihr Verhältnis?

Pfeiffer: Ich bin von einigen menschlich sehr enttäuscht. Dass Pater Langendörfer die Chuzpe hat, in der "Beckmann"-Sendung zu behaupten, ich hätte die Unwahrheit gesagt, schockiert mich geradezu. Unter welchem Druck muss dieser an sich doch kluge und kultivierte Mensch stehen, dass er so vom Kurs abkommt?


SPIEGEL ONLINE: Man kann den Eindruck gewinnen, in diesem Streit kreisen alle Beteiligten derzeit vor allem um sich selbst. Was sagen Sie den Opfern, die große Hoffnungen in die Untersuchung gesetzt hatten - und jetzt vor allem wütend sind?

Pfeiffer: Ihre Wut ist berechtigt. Ich bitte die Opfer um Verständnis dafür, dass wir unter den Bedingungen der Kontrolle und Zensur nicht forschen können. Wir bitten die Opfer, beim KFN unseren Fragebogen anzufordern, damit sie ihn anonym ausfüllen und zurücksenden können. Wir möchten aufdecken, was sie erlebt haben und wie die Kirche mit ihnen umgegangen ist. Die Opfer haben einen Anspruch darauf, dass das geklärt wird.