Montag, 16. April 2012

Deutsches Sexualstrafrecht


Das Sexualstrafrecht umfasst die Strafnormen für Verhaltensweisen mit Sexualbezug.

Verfassungsrecht
Verfassungsrechtlich dienen die Verbote und Strafandrohungen des Sexualstrafrechts dem Schutz des Rechtes auf sexuelle Selbstbestimmung. Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung wird auf Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gestützt.

Regelungsbereich
Das deutsche Strafrecht hat das Sexualstrafrecht ausschließlich im Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Die Tatbestände sind dort im 13. Abschnitt (§§ 174 bis 184g) zusammengefasst. Während die frühere Auffassung des Reichsgerichts und zu Anfang noch des Bundesgerichtshofes einen Schutz der Sittenordnung in das Sexualstrafrecht interpretierten, ist der heutige Schutzbereich deutlich auf gravierende sozialschädliche Verhaltensweisen beschränkt. Insoweit wurde auch die Überschrift von "Verbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit" in "Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung" geändert.

Tatbestände
Ein einheitliches Rechtsgut liegt dem Sexualstrafrecht nicht zugrunde. Es ist eher der Sexualbezug, den die Tatbestände gemeinsam haben. Den inhärenten Begriff der sexuellen Handlung hat der Gesetzgeber nicht definiert. Lediglich in § 184g Nr. 1 StGB nennt er die sexuelle Handlung als eine solche, die von einiger Erheblichkeit sein muss.

Systematisch zusammenhängend sind die Tatbestände
Sexuelle Nötigung, § 177 Abs. 1, 5 StGB (Abs. 3 und 4)
Vergewaltigung, § 177 Abs. 2 StGB (Abs. 3 und 4)
die Sexuelle Nötigung oder Vergewaltigung mit Todesfolge (§ 178)
sexueller Missbrauch Widerstandsunfähiger (§ 179)
sexueller Missbrauch von Gefangenen, behördlich Verwahrten oder Kranken und Hilfsbedürftigen in Einrichtungen (§ 174a)
sexueller Missbrauch unter Ausnutzung einer Amtsstellung (§ 174b)
sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungs-, Beratungs- oder Betreuungsverhältnisses (§ 174c)
Beischlaf zwischen Verwandten (§ 173)
Deutlich dem Jugendschutz zugeordnet sind die Delikte: 
sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen (§ 174)
sexueller Missbrauch von Kindern (§ 176)
schwerer sexueller Missbrauch von Kindern (§ 176a)
sexueller Missbrauch von Kindern mit Todesfolge (§ 176b)
Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger (§ 180)
sexueller Missbrauch von Jugendlichen (§ 182)
Verbreitung pornographischer Schriften (an Minderjährige - § 184 Abs. 1 Nr. 1)
Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften (§ 184b)
Jugendgefährdende Prostitution (§ 184e)
Im Bereich der Pornographie sind durch die letzten Änderungen noch folgende Delikte hinzugekommen: 
Verbreitung gewalt- oder tierpornographischer Schriften (§ 184a)
Verbreitung pornographischer Darbietungen durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste (§ 184c)
Die Prostitution ist spätestens seit Einführung des Prostitutionsgesetzes nicht mehr sittenwidrig. Dennoch sind die Abhängigkeitsverhältnisse in diesem Bereich unter Strafe gestellt.
Ausbeutung von Prostituierten (§ 180a)
Menschenhandel (§ 180b)
Schwerer Menschenhandel (§ 181)
Zuhälterei (§ 181a)
Allerdings soll auch die Belästigung Unbeteiligter unterbleiben, daher sind die nachfolgenden Delikte teilweise Auffangtatbestände:
Ausübung verbotener Prostitution (§ 184d)
Exhibitionismus (§ 183)
Erregung öffentlichen Ärgernisses (§ 183a)
Verwandte Tatbestände [Bearbeiten]
Verwandte Tatbestände außerhalb der §§ 174-184g StGB, die selbst nicht dem Sexualstrafrecht unterfallen, sind:
Beleidigungen auf sexueller Grundlage (§ 185 StGB)
die Nötigung zu sexuellen Handlungen nach § 240 Abs. 4 Nr. 1, die selbst keinen Körperkontakt beinhalten (ansonsten wäre § 177 Abs. 1 einschlägig)
Erpressung auf sexueller Grundlage (auch so genannte Chantage) nach § 253 StGB
Insbesondere hinsichtlich der Beleidigung wird in der Rechtswissenschaft betont, dass dieser Tatbestand kein Auffangdelikt für Sexualstraftaten ist.

Schuld
Besonderes Augenmerk ist bei Strafbarkeit im Bereich des Sexualstrafrechts stets auf die Schuld zu legen. Das Vorliegen einer "schweren anderen seelischen Abartigkeit" nach § 20 ist nicht immer auszuschließen. In Betracht kommt gerade dann die Verhängung einer Maßregel der Besserung und Sicherung, insbesondere die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder Sicherungsverwahrung.